In einem fulminanten 4-Teiler entsteht ein neues HiFi Sideboard, es wird furniert, eskaliert und es fließen Tränen der Freude und der Verzweiflung. Was mit einem kleinen Gedanken begann, wird zu einem der größten und aufwendigsten Cultor-Projekten!
Präludium: ein Gedanke, eine HiFi Anlage und 2 Kinder
Ich saß auf dem Sofa und sah meinem Sohn zu, wie er mit Begeisterung den Lautstärkenregler meines Verstärkers rythmisch Hin und Her drehte. Das japanische Drehpotentiometer meines Verstärkers, das hinter dem Drehregler lag, hatte sich wahrscheinlich in eine Zen-Buddhistische Trance begeben – laut leise, laut leise. Auch in meinem Kopf wurde es lauter und wieder leiser, unaufhörlich. Die Entscheidung fiel plötzlich „Die Anlage muss weg! Ja, wir hatten schöne Zeiten, Whiskey am Sofa, Chad Baker spielt almost Blue und meine Prinzessin zwinkert mir liebevoll zu. Aber jetzt haben wir ein Kind und bald ein zweites, also muss wohl auch die letzte Bastion der Vergangenheit weichen, die HiFi Anlage muss weg.“
Ich lege ein letztes mal eine Schallplatte auf: Element of Crime – Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang, der Bass kickt, die Stimme von Sven Regener schnarrt und zurrt durch die Luft, ich erinnere mich daran, dass ich ja selber einmal Musik gemacht habe und wie wichtig mir Musik ist. Da bricht der Trotz in mir durch, Cultor hebt seine Flügel – Ikarus ruft!
Mehrere tausend Euro später: Materialbestellung
Es ist eskaliert – Punkt. Eine komplett neue, wesentlich bessere Musikanlage stand plötzlich dicht gedrängt auf dem alten TV-Möbel. Röhrenverstärker, polierte VU-Meter, neue Lautsprecher, ach Cultor, was hast du getan?
Die Verstärkerröhren glühen und man könnte meinen, sie zwinkern mir zu, als mit einem ungekannten Schmelz Ye Vagabonds – Bacach Shíol Andaí durch den Raum fließt. Es ist so schön, dass man fast weinen möchte, oder ist es doch der Gedanke an das geplünderte Sparbuch und die verzweifelt mitleidigen Blicke von meiner Prinzessin? Was sie wohl denkt, während sie ihren wunderschönen runden Bauch streichelt, wo Kind Nr. 2 schon wartet? Ist jetzt der richtige Moment ihr zu sagen, dass die neue Anlage DRINGEND ein besseres HiFi-Sideboard BENÖTIGT? … Eine kluge Frau mit großem Herz ist fast schon Pflicht für jede Mann, der dem Holz verfallen ist.
Sie seufzt – ich lächle unsicher – ich denke, ich könnte doch zumindest die vorhandene Multiplexplatte verwenden und Sie einfach furnieren das spart mir das ganze teure Eichenholz!
Ach wie gerne würde der Gegenwarts-Cultor nun in der Zeit zurückreisen und laut schreien „NEIN!!!! tu das nicht, weißt du eigentlich, was Furnieren bedeutet???!“ Ich wusste es nicht.
HiFi-Sideboard- Kapitel 1: Rohmaterial
Wie schwer kann es schon sein, oder?! Es beginnt damit, eine Entscheidung zu treffen. Macht man Anleimer oder Einleimer. Anleimer werden auf das laminierte Werkstück an-geleimt, um eine Echtholzkante zu erhalten. Das Werkstück ist dabei schon auf beiden Seiten furniert, aber die Kanten werden eben erst im Nachhinein beklebt. Bei Einleimer wird zuerst die Echtholzkante ein-geleimt und nachher das Furnier über die Echtholzkante geleimt. Ich könnte mich jetzt wieder darüber auslassen, was die Vor- und Nachteile sind, aber die Realität für mich war ganz klar. Ich hatte noch kein Holz besorgt, hatte aber schon eine schönes Eichenfurnier bestellt und wollte beginnen. Also sollten es Anleimer werden (sprich zuerst furnieren, dann Kanten anleimen) (Ich bereue Nr. 1)
Aus budgetären Gründen habe ich mich entschieden, die vorhandene Multiplexplatte (2500mmx1250mm x18mm Birkensperholz) zu verwenden. Multiplex ist sehr dicht und das ist wichtig für die akustischen Eigenschaften eines HiFi-Möbels, das absolut nicht schwingen oder große Hohlräume im Holz haben soll. Am idealsten wären HDF oder zumindest MDF aber diese Materialien sind grauenhaft zu verarbeiten und nicht sehr stabil – dafür akustisch ideal. Jedenfalls waren die Abmessungen meines HiFi-Sideboards jetzt limitiert (Ich bereue Nr. 2). Außerdem fehlte schon ein Stück für mein Projekt Hobelbank 2.0 , das natürlich für das neue Projekt auf Eis gelegt wurde.
HiFi-Sideboard- Kapitel 2: Furnieren
Ich habe mich für komplett astfreies helles Eichenfurnier entschieden. Es ist ca. 280mm breit und die Bahnen sind 2600mm lang, bei einer Stärke von 0,9mm. Ich wollte ein etwas dickeres Furnier haben, um es robuster zu gestalten, damit es nicht gleich durchgeschliffen ist oder es zu einem Leimdurchschlag (wenn zu viel Leim das Furnier durchtränkt und so Flecken erzeugt) kommt. Da das Sideboard rd. 42 cm breit werden sollte, musste ich das Furnier also spiegeln – sprich 2 Furnierblätter wie ein Buch aufklappen, damit sie dann wie eine Doppelbuchseite aufliegen. Dies sieht besonders schön aus, da so auch die Maserung gespiegelt wird. Natürlich ist dies viel aufwendiger, als wenn das Funierblatt einfach breit genug wäre, aber hey wir sind auf Cultor.at, bin ich schon mal den leichteren Weg gegangen?! -> Richtig. Weiter gehts.
Die Kante, an der das Furnier gespiegelt wird, muss absolut gerade und dicht sein, ansonsten sieht man den Spalt zwischen den beiden Furnierblättern, das nennt man Fügen. Zum Fügen habe ich mich eines Trickes bedient. Ich habe meine Sägeschiene verlängert und mit der Tauchsäge das Furnier rückwärts geschnitten. Verwirrt? Ich versuche es zu erklären:
Bei Kappsägen dreht sich das Sägeblatt gegen den Uhrzeigersinn, sprich die Säge schneidet von unten nach oben durch das Werkstück. Das würde bei einem Furnier dazu führen, dass es nach oben hin ausreißt. Wenn man aber nun die Säge rückwärts zieht, also nicht nach vorne von sich wegschiebt, sondern zu sich herzieht, schneidet das Sägeblatt quasi hinten und drückt das Furnier nach unten. Das Furnier wird wie in einem Sandwich zwischen Unterlage und Sägeschiene eingespannt und dann geschnitten. Man legt einfach die zwei Furnierblätter, die man fügen möchte ,aufeinander und schneidet sie zugleich. So entsteht eine perfekt gerade Kante, an der die zwei Blätter aneinander gefügt werden.
HiFi-Sideboard Kapitel 3: Kleben
Jetzt wo die zwei Stoßkanten perfekt gerade waren, konnte ich die Furnierblätter verkleben. Man macht dies mit einem speziellen Furnierklebeband. Die ersten Platten habe ich mit diesem Band verklebt und habe dann jedoch auf eine Maler-Krepp Band gewechselt…im Nachhinein wäre es besser gewesen, beim Klebeband zu bleiben. Das Furnier, welches ich mit dem Band verklebt habe, war das einzige, das nach ein paar Tagen in der Werkstatt immer noch dicht zusammengehalten wurde, während das Malerkreppband teilweise abgegangen ist (Ich bereue Nr. 3). Ach ja und nach dem Leimen habe ich beim Abziehen des Bandes pro Laminierseite ca. 1mm Fingernagel eingebüßt.
Die Leimpresse – eine Kurzgeschichte aus einer glücklichen Ehe:
Die Geschichte der Leimpressen:
Die Anzeige war verlockend: 4 Leimpressen günstig abzugeben! Und sie liegen sogar auf dem Nach-Hause-Weg von Wien nach Salzburg. In Öberösterreich, fast kein Umweg! 96cm breit, perfekt, das passt genau in unseren Kofferraum. Ich sage meiner Prinzessin erst Bescheid, als wir schon im Auto auf der Rückfahrt sind…
Oberösterreich eine Stunde (!) Umweg später:
Die Leimrahmen sind 80 Jahre alt, wiegen pro Stück ca. 45 kg und haben einen Innendurchlass von 96cm, und messen außen 1,2 m und passen natürlich nicht in den Kofferraum. Der nette Verkäufer ist Gott sei Dank Tischler und zerlegt mit mir 1h lang 2 Rahmen, die Schrauben sitzen fest, das Kind hüpft im Hintergrund im Kreis durch die fremde Werkstatt. Mein Prinzessin muss auf den Beifahrersitz, ich packe das komplette Auto um, schnalle 2 Rahmen auf das Dach, zwei werden zerlegt und in das Auto geschlichtet (gequetscht). Ich wage es nicht, meinen Kopf in Richtung Beifahrersitz zu wenden, Prinzessin sitz dort mit einer schier unmenschlichen bedrohlichen Gelassenheit. Ich beschließe, ihr einen Diamantring zu kaufen…einfach so
Der nette Verkäufer ruft mich 3 Stunden später besorgt an, ob ich gut nach Hause gekommen sei, weil das Auto so schief ausgesehn hat und, dass er ein sehr nettes Haus für obdachlose Männer kenne. Ich beruhige ihn und vereinbare einen Termin beim Juwelier.
HiFi-Sideboard Kapitel 4: Leimen
Jetzt war es an der Zeit, für die Furnierung die gemütliche 6 KG Leimflasche auf den Tisch zu hieven. Traditionell habe ich einen Freund, der nicht wusste, auf was er sich da einlässt, gebeten mir beim Leimen zu helfen, da das Handling alleine mit den schweren Platten auf denen überall Leim klebt, nicht gerade leicht ist. Danke Martin an dieser Stelle, der gute Mann oder auch „Leimknecht“ genannt, wurde mit einer Eichenbasis für einen Trinkhornständer entlohnt, was mir wiederum 5L Metzgerbier eingebracht hat… Mann hilft sich eben unter Leidensgenossen.
Es ist übrigens wichtig, nicht zu viel Leim aufzutragen wegen dem schon oben beschriebenen Leimdurchschlag. Auch sollte man das Furnier richtig und schnell aufsetzten, eine Korrektur ist nur schwer möglich. Oben und unten habe ich zwei Tischlerplatten als Druckverteiler aufgelegt und alle Schichten mit Backpapier getrennt, damit nichts zusammenklebt, was nicht kleben soll.
Es hätte auch noch die Möglichkeit gegeben, das Furnier mit der Bügelmethode oder Kaltfurnierleim zu verkleben, aber die gute alte Druckmethode kam mir für die großen Flächen am besten vor. Ich schätze, dass ich die Furniere mit mehreren 100 kg Druck gepresst habe, schließlich haben sich die 25cm starken Eichenpfosten der Leimrahmen in der Mitte fast 4 cm durchgebogen!
HiFi-Sideboard Kapitel 5: Kanten fräsen
2 Tage Trocknen später. Nach dieser „leichten“ Prozedur war es nun an der Zeit, das Furnier zu kürzen, also bündig zu machen bzw. wie vorher erwähnt sehr mühsam die Klebebänder zuerst zu entfernen. Ich habe zuerst grob mit der Kappsäge das Furnier umlaufend gekürzt und anschließend mit einem Bündigfräser präzise bündig gefräst.
Das Ergebnis des Furnierens kann sich übrigens sehen lassen, es kam zu keinem Leimdurchschlag, das Furnier war super verleimt und die Fügekanten waren nahezu perfekt und nicht sichtbar.
HiFi-Sideboard Kapitel 6: Anleimer
Der nächste Schritt für die HiFi-Sideboardteile war die Anleimer, also Echtholzkanten anzuleimen. Ich habe die Streifen Eichenholz zuerst an der Tischkreissäge zugeschnitten, dann durch den Dickenhobel durchgelassen und sie dann mit Zwingen, bzw. Maler-Krepp-Band verleimt.
HiFi-Sideboard Kapitel 7: Kanten abfräsen & Verkitten und Schleifen
Die Anleimer stehen überall etwas über und müssen noch bündig gefräst werden. Dazu habe ich mir eine kleine Hilfe für die Oberfräse gebaut, damit ich die Leisten plan zur Fläche fräsen konnte.
Ende Teil 1:
Und damit lassen wir Teil 1 enden. All das, was oben zu sehen ist, waren mehere Monate jedes Wochenende, jede freie Stunde viel viel Arbeit. Alles, um ein paar furnierte Korpusteile zu bekommen. Dabei habe ich 50% der notwendigen Extraschritte, Zweifel, Fehlerreperaturen und dergleichen hier sogar weggelassen. Es war also unglaublich aufwendig!
Gespart habe ich am Ende des Tages auch nichts. Ich hätte einfach eine fertige Tischlerplatte mit Echtholz-Eichenfurnier kaufen können und hätte die Korpusteile in 2 Wochenenden Arbeit fertig gehabt und hätte am Ende nicht mehr Geld ausgegeben. ABER ich habe auf diesem Weg unglaublich viel gelernt:
- wie man furniert
- wie man nicht furniert
- dass ich dankbar sein kann für meine wunderbare Frau
In Teil 2 geht es um das Untergestell, und ihr, werte Leser, dürft darf gespannt sein, welchem Wahnsinn ich wieder anheimfalle
Euer Cultor