Es ist soweit, der finale Akt, in dem alles zusammenläuft, beginnt und das HiFi-Sideboard findet auf dem Weg zum Abschluss noch ein paar Schubladen und lässt den melancholischen Philsosophen in mir erblühen.
grande finale: pianissimo grave accelerando con filosofico
In einer zerbrechlichen und doch erstaunlich stabilen Glasröhre, welche kunstvoll verschlossen und versiegelt ist, herrscht Vakuum. Ein kunstvolles Geflecht aus feinen Drähten windet sich durch den Glaskörper wie eine Schlange, die sich scheinbar mühelos einen Baum hochwindet. Ein elektrischer Strom schießt mit Lichtgeschwindigkeit durch eine Kathode und schleudert dabei Elektronen in das Vakuum. Sie können sich dem Reiz der Hitze nicht entziehen, die sie unablässig füttert. Doch die Elektronen dürfen sich nicht frei in ihrem Vakuumgefängnis bewegen, ein zartes Gitter, durch die eine steuernder Strom fließt, leitet die jungen Radikalen in die richtige Bahn auf ihrem Ziel zur Anode, wo sie endlich Erlösung finden. Und all das, um den auf einer sich drehenden Vinylscheibe vergänglich gespeicherten Gesang von Maria Callas so weit zu verstärken, dass eine Membran aus Papier im Äther des Raumes schwingt und unsere Gehirne zum Weinen bringt ob der Schönheit.
Was treibt uns Menschen nur an, all die Mühen auf uns zu nehmen, um solche Wunderwerke zu erschaffen, die doch eigentlich völlig irrelevant für unser basales Überleben sind? Würde es denn nicht reichen, einfach ein paar Nüsse unter einem Baum aufzuklauben, zu essen, zu leben, einfach zu überleben?!
Nein, da ist etwas in uns, das uns antreibt, uns motiviert all die Qualen, das Leid aber auch die Aufregung auf uns zu nehmen, das Leben zu leben, es zu gestalten, es zu erleben, etwas zu erschaffen.
Ich denke, es ist verzeihlich, am Ende einer Reise etwas philosophisch zu werden. Die Pilger am Jakobsweg oder am Ende der Hatsch werden wohl auch einen Moment innehalten und reflektieren, was sie erlebt haben. Die Reise zu meinem profanen und doch barocken HiFi-Sideboard ist ein Sinnbild für alles, was das Leben zu bieten hat. Vielleicht ist das der Grund, warum ich das Arbeiten mit Holz und das Erschaffen von Dingen so wertschätze.
In Schubladen denken: allegro
Wo kleine Kinderhände Drehknöpfe an teurem HiFi- Equipment ungewollt bedienen, sind Schubladen dein Freund. Sie beherbergen meist Chaos, doch zeigen Sie es nicht auf den ersten Blick. Also ein Stück Eichenbohle auftrennen, um die Fronten der Schubladen aus voller Eiche zu gestalten. Mit einem Griffleistenfräser habe ich eine Mulde eingefräst, um eine möglichst ruhige Optik zu bekommen. Ich habe diese Griffleiste bewusst nicht bis zum Rand geführt, damit ich den Korpus mit einem Schubladenfräser verbinden konnte. In einer umlaufenden Nut wurde dann noch ein 9mm Buchen-Multiplex Boden eingelassen.
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Mit am schwierigsten bei Schubladen ist immer die Ausrichtung der Auszüge. In diesem Fall habe ich einfach aus ein paar Resten Abstandhalter geschnitten, um vom Boden des Sideboards aus immer den gleichen Abstand zu erhalten. Mühsam war es, die Seitenwangen der Schubladen abzufräsen, damit die Schubladen von der Breite her passen. Es ist schon erstaunlich, wie oft man etwas messen und kontrollieren kann und trotzdem nicht die Präzision erreicht, die man braucht. Hier eine gratis Lektion für alle: manchmal muss man dick auftragen und dann erst die Präzision herstellen.
Kein Zuckerbäcker wurde für die Glasur „genau“ die Menge Schokoladenglasur herstellen, die er braucht, um eine Torte zu glasieren. Die Torte wird auf ein Gitter gestellt und mit gefühlt literweise Schokolade übergossen. Und genau das selbe gilt oft für das Holzhandwerk. Ich weiß nicht, warum ich immer noch genau 40cm zuschneide, anstatt 40,5 cm, um dann die Präzision mit dem Hobel herzustellen. ALSO, liebe Leser und vielleicht Nachahmer: mit Überstand arbeiten und DANN erst die Präzision herstellen.
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Ich habe leider erst im Nachhinein daran gedacht, die Fronten der Schubladen noch breiter zu lassen, damit sie die Metallauszüge vollständig verbergen. Das Endergebnis gefiel mir dann aber und der Kontrast der Schienen zu dem Eichenholz passt zur Verbindung des HiFi-Sideboards zwischen Technik und Holz.
Erschöpfung: decresendo
Wenn man glaubt, das Ziel schon zu sehen, türmen sich plötzlich scheinbare Unendlichkeiten an kleinen Hügeln vor einem auf. Aber vielleicht stimuliert dies auch unsere Phantasie?! Jedenfalls birgt die anklopfende Verzweiflung auch eine unbändige Kraft. AUF !
- Das Untergestell zerlegen
- Das Untergestell mit Schmetterlingsverbindungen verstärken
- Füße alle auf das gleich Maß bringen
- Einschraubmuffen zum Verschrauben des Untergestells in den Boden einlassen
- Gestell zur Probe montieren
- Verbindungen spachteln
- Gestell schleifen
- Schubladenschienen einbauen
- Schubladen mit Schienen verschrauben
- Schrauben, die zu lange sind, abschleifen
- Schubladen nochmal einbauen
- Schubladen wieder ausbauen
- Gleitleiste für die Schienenführungen einbauen
- Beschläge provisorisch einschrauben
- Gleitleiste wieder ausbauen und iterativ niedriger machen, bis das Spaltmaß der Schiebetüren stimmt
- Beschläge vorbohren
- Beschläge endgültig verschrauben
- Schiebtüren testen, Anpassungen machen
- Beschläge wieder ausbauen
- Alle Türen schleifen mit k120
- Sideboard schleifen mit k120
- Schubladen schleifen mit k120
- Alle Türen schleifen mit k180
- Sideboard schleifen mit k180
- Schubladen schleifen mit k180
- Alle Türen schleifen mit k200
- Sideboard schleifen mit k200
- Schubladen schleifen mit k200
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Öl für das HiFi Sideboard und santo Sangue
Es war also alles für das Ölen vorbereitet. Ich habe insgesamt 4 Öle gekauft und getestet, bis ich mich dann für das finale Öl entschieden habe. Ich wollte unbedingt den eher hellen Ton der Eiche erhalten und nicht zu dunkel geraten. Deswegen habe ich mich dann für ein Hartwachsöl in seidenmatt und farblos entschieden. Ich finde, es ist genau der richtige Kompromiss an leichtem Nachdunkeln der Eiche, trotzdem eher heller Look und Anfeuern des tollen Funiers. Beim Abreiben des Furniers habe ich mir 3mal (1) bei der Gleitschiene aus Holz richtig böse Eichenspäne in die die Hand gerammt. Das HiFi Sideboard ward also mit heiligem Blut getauft und ins Leben gerufen.
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Vollendung: forte, erocio
Es war fertig…ich war fertig…es war fertig mit mir
Musikbegleitung:
Jordi Savall: Tarantela aus dem Album Le temps et de l’Instant
Das alte Sideboard und seine zarten 250kg haben mich noch einen halben Tag gekostet und meine Muskelfasern noch mal mit Leben erfüllt. Und dann stand es da. Als mein kleiner Leopold die Schiebetüre sofort in Besitz genommen hat, bin ich mit einem satten warmen Gefühl auf dem Sofasessel gessesen. Mein Finger pochte heftig, ein 2 cm Eichenspan schlief unruhig am Knochen, Schweiß tropfte mir von der Stirn und in meinem Mund schmeckte ich einen metallischen Geschmack. Mein Körper war müde, mein Geist erschöpft, mein Herz glücklich.
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Cultor nahm mich an der Hand und führte meine letzten Handlungen am HiFi Sideboard. Ein dreifaches Hurra auf dieses Werk meiner Hände und meines unruhigen Geistes!
HURRA! HURRA! HURRA!
Danke fürs Mitreisen, werte Leser. Am Ende steht eine Frage: war es das Wert ? … Komm mein lieber Cultor, geh schlafen, morgen ist auch noch ein Tag
JA, Euer Felix!
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So Sohnemann Cultor grande bellisimo
du forderst mich geradezu heraus in Musikwissenschaften als Pensihörer zu inskribieren. Das Adago und die Tempi in der Notenfolge ergeben herrlichste Musik, die wie du weißt, ich träume davon, mit einem vom Cultor gefertigten Möbelstück umrahmt werden …müssen!!
Farinelli hat höchste Töne hervorgebracht, bist du in etwa Farinelli? Dein Sidebord und deine Glasröhren entsprechen absolut danach.
Farinelli Fìo pianga
Die Töne schmeicheln sich durch dein Gehölz, durch deine Hände, durch deinen grandiosen Geist.
Ach, was für eine Musik, ach was für eine Schönheit .
Muss aufhören, sonst kaufst du dir noch bessere Röhren aber vielleicht fällt dann was für mich ab.
Und was deine Holzkunst betrifft, so schöööööööööön!
👏👏👏
Standing ovations, querido hijo!!!
Du bist jetzt wirklich in der Meisterklasse angekommen! Mögliche Steigerung: alter japanischer Meister, der alles ohne Elektrowerkzeuge macht, nur mit bloßen Händen!😉
Ich hoffe Du hattest einen würdigen Schluck bei der Hand: zum Begießen des Werkes und äußere Wundbehandlung. Eichenspan aufheben! Wird mal Reliquie!
Abschließend einzige Kritik: Möbelfüße zu kurz, Tristan kann sich nicht unter Sideboard verstecken!