„Ich will ja nicht unverschämt sein, aber“…so beginnt unsere neue Geschichte aus der zwei gedrechselte Säulen entstehen sollten. Nachdem der Sockel aus meinem letzten Beitrag fertig war, dachte ich, dass meine Position als Lieblingssohn gesichert sei, aber wie bei Herkules in der griechischen Sagenwelt steht nach jeder Prüfung eine neue. In meinem Fall war die neue Prüfung die Bitte meines Vaters, 2 kleine Säulen zu drechseln, damit das Schiffsmodell etwas über den Dingen und somit über dem Sockel schweben kann. Nachdem die edlen Schiffsmodelle des Öfteren ihr Zuhause in unserer Wohnung finden, war natürlich klar, dass ich mich gerne dieser Herausforderung stellen würde.
Erste Prüfung: Drechselwerkzeug muss her!
Als ich das Drechseln begann, habe ich mich mit gutem Werkzeug eingedeckt. Die Drechselbank hat gebraucht nur 50€ gekostet aber dieser Affront für meine Geldbörse wurde schnell durch den Einkauf edler Drechseleisen aus England kompensiert. Der englische Hersteller Crown ist einer der bekannten und sehr guten Hersteller von Drechseleisen. Mein Gedankengang war: die Drechselbank werde ich wahrscheinlich irgendwann tauschen, aber die Drechseleisen sollen zumindest bis zu ihrem zweiten Leben als Grabbeigabe überleben. Und so habe ich ein ganz nettes Sortiment an Drechseleisen erworben (der schwarze Griff ist übrigens das Zeichen bei Crown dafür, dass es sich um sogenannte Cryogenic – Drechseleisen handelt, die speziell gehärtet sind und dadurch eine besonders hohe Standzeit besitzen)
![Drechseleisen vom englischen Hertseller Crown](https://cultor.at/wp-content/uploads/2020/09/drechseln_saeulen_buchsbaum_drechselwerkzeug_crown.jpg)
Leider waren meine Drechseleisen eher für größere Werkstücke gemacht, und so musste ich mich meiner ersten Prüfung stellen. Nach etwas Recherche fand ich dann diese wunderbaren Miniaturausgaben meiner Drechseleisen. Diese sind meistens unter dem Begriff pen oder Schreibgeräte drechseln zu finden. Für filigrane Arbeiten sind die Drechseleisen hervorragend geeignet.
Zweite Prüfung: Entwurf und Vorarbeit
Nach einem kleinen Foto und zwei Maßangaben habe ich zunächst eine kleine Skizze mit den geplanten Maßen gemacht. Erfahrungsgemäß drechselt man sonst wild darauf los und das Ergebnis ist dann meist eher der freien Kunst zuzuordnen. Außerdem weiß jeder Drechsler: ein Stück herzustellen ist leicht, zwei IDENTE Stücke herzustellen ist etwas ganz anderes.
![Entwurf zum Drechseln: kleine Saeule](https://cultor.at/wp-content/uploads/2020/09/drechseln_saeulen_buchsbaum_entwurf.jpg)
Die Holzwahl war recht leicht, denn sie war vorgegeben: Buchsbaumholz sollte es sein. Buchsbaum ist ein fantastisches Holz, dem ein oder anderen ist die Pflanze sicher aus dem eigenen Garten oder aus alten Schloßanlagen bekannt. Buchsbäume wachsen sehr langsam und daher dauert es gute 100 Jahre, bis die Stämme eine solche Dicke erreichen, dass man auch damit als Holzhandwerker arbeiten kann. Meinem Onkel habe ich es zu verdanken, dass ich ein kleines Sortiment an Buchsbaumholz mein Eigen nennen kann.
Bevor das Drechseln startet, habe ich also ein schönes Stück Buchsbaum herausgesucht, und es an der Bandsäge etwas zurechtgemacht.
Buchsbaumholz
![Drechselholz zuschnitt an der Bandsaege](https://cultor.at/wp-content/uploads/2020/09/drechseln_saeulen_buchsbaum_bandsaege.jpg)
Dritte Prüfung: auf zur Drechselbank
Es war also soweit, endlich würde die Drechselbank zum Einsatz kommen. Dabei ging ich in folgenden Schritten vor:
- Holzrohling herrichten (ablängen, Äste abtrennen, begradigen)
- Einspannen auf der Drechselbank
- Handauflage einrichten
- Werkstück mit Schruppröhre zu einem Zylinder drechseln
Einspannen Handauflage einstellen Schruppröhre Schruppen Abtragen fertiger Zylinder
Nachdem der Zylinder auf Maß gedrechselt war, ( +2-3 mm für den Feinschliff und Korrekturen) ging es mit folgenden Schritten weiter:
- mit Bleistift die Maße am Werkstück anzeichnen (für beide Säulen)
- Gemäß den gewünschten Maßen die Dicken mit dem Abstechstahl am Werkstück einstechen („vorstechen“)
anzeichnen „vorstechen“
Vierte Prüfung: parallel Drechseln
Wie bereits erwähnt, ist es gar nicht so leicht, zwei möglichst idente Werkstücke herzustellen, zumal ich im Thema Drechseln noch am Anfang stehe. Daher habe ich die Formen zunächst grob und in Stufen ausgearbeitet. Stufen haben den Vorteil, das man den Durchmesser leichter mit dem Messchieber auf ihr korrektes Maß überprüfen kann.
Danach ist es leichter, die Stufen in ein kontinuierliche Form umzuarbeiten. Dabei habe ich eine sogenannte Formröhre mit Fingernagelschliff verwendet. Mit diesem Werkzeug lassen sich Verläufe mit sehr schöner Oberflächenqualität herstellen. Der Drehstahl oder Drehmeissel liefert sicherlich die beste Oberfläche, aber sein Umgang ist ohne Übung nicht ganz einfach, vor allem bei konkaven Flächen. Da ich noch nicht so geübt damit bin und die Werkstück zusätzlich sehr filigran waren, habe ich auf den Einsatz also verzichtet und den letzten Schliff mit Feile und Schleifpapier ausgeführt.
Ausdrehen Maserung des Holzes Säulen im Drechselvorgang Fertige gedrechselte Säule Abtrennen mit der Japansäge
Nachdem das Drechseln abgeschlossen war, habe ich die Werkstücke mit der Japansäge (Typ Dozuki) herausgetrennt. Dann noch etwas Schleifen und fertig waren die beiden Atlanten. Jetzt fehlen nur noch die beiden Aufnahmeschlitze, die das Schiffsmodell später am Kiel halten sollen. Dafür benötige ich jedoch die Maße von meinem Auftraggeber… ob das Gespräch wohl wieder mit „Ich möchte ja nicht unverschämt sein, aber…“ endet ?!
Ich bereite mich wohl lieber darauf vor, schließlich musste Herkules ja auch 12 Prüfungen bestehen und nicht nur 4 😉
Euer Cultor